Soziale Sicherung

In der Bundesrepublik wird ein Paket aus fünf verschiedenen Versicherungen der sozialen Sicherung genannt. Alle abhängig Beschäftigten sind in allen im Folgenden genannten Zweigen, die unterschiedliche Lebensrisiken abdecken, pflichtversichert. Die meisten hauptberuflich Selbstständigen hingegen müssen allein eine Kranken- und Pflegeversicherung abschließen. Für unterschiedliche Berufe jedoch gelten auch für Selbstständige zusätzliche Versicherungspflichten bei der Altersvorsorge und/oder der Unfallversicherung.

  • Für Krankenbehandlung, Kuren, Medikamente, Zahnersatz, Mutterschaftsgeld und Krankengeld ist die Krankenversicherung zuständig. Irgendeine Krankenversicherung müssen alle Bürger haben. Die meisten Selbstständige können dabei zwischen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen und einer privaten Krankenversicherung wählen.
  • Die Pflegeversicherung soll das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit vor allem im Alter absichern. Sie ist ebenfalls eine Pflichtversicherung. Ohne sie ist weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung zu bekommen.
  • Altersvorsorge ist zurzeit für alle abhängig Beschäftigten jedoch noch nicht für alle Selbstständigen Pflicht. Das ist aber in der Diskussion und eine Vorsorgepflicht für neu Selbstständige wird für 2024/2025 erwartet. Wer nicht gesetzlich pflichtversichert ist, kann sich derzeit daher auch gar nicht oder privat versichern. Ein direkter Vergleich der Leistungen und Kosten in beiden Systemen ist schwer: Das gesetzliche Rentenversicherungssystem umfasst neben Altersrenten auch Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Rehabilitationsmaßnahmen. Zumindest das ist bei einem Vergleich zu beachten. Dass beide Vorsorgeformen zudem auf vollkommen anderen Grundlagen basieren, erschwert den direkten Vergleich.
  • Die Arbeitslosenversicherung zahlt bei Arbeitslosigkeit befristet einen Teil des Verdienstausfalls. Sie ist nur für Selbstständige zugänglich, die vorher abhängig beschäftigt und dabei pflichtversichert waren.
  • Die Berufsunfallversicherung (Berufsgenossenschaft) zahlt medizinische Behandlung, Verletztengeld und Renten nach Berufsunfällen und wegen Berufskrankheiten. Sie nimmt Selbstständige als freiwillige Mitglieder auf, Fotografen, Grafik-Designerinnen und einige Gesundheitsberufe sind dort sogar Pflichtmitglied.

Das System der deutschen Sozialversicherung war ursprünglich sehr klar gegliedert: Arbeitnehmer sind pflichtversichert, bekommen dafür aber den halben Beitrag vom Arbeitgeber; Selbstständige hingegen können frei wählen, ob, wie und wo sie sich versichern, müssen die Beiträge dafür aber komplett alleine bezahlen. Dieses zu Beginn der Industrialisierung geschaffene System ist inzwischen durch viele Sonderregelungen durchbrochen. Gleichzeitig ist es insgesamt sehr statisch und wenig angepasst an den Wechsel von Berufen und Erwerbsstatus im Zeitverlauf oder parallele Tätigkeiten. So sind manche Versicherungen nur im Hauptberuf verpflichtend, andere auch bei einer nebenberuflichen Selbstständigkeit.

Die Abnehmer der Arbeit an der Finanzierung der Kranken- und Rentenversicherung zu beteiligen (was bei der weit überwiegenden Mehrheit der rund 45 Mio. Erwerbstätigen in Deutschland üblich ist) ist nur bei der Künstlersozialversicherung gelungen. Jenseits der knapp 200.000 Selbstständigen, die in Publizistik und Kunst arbeiten, gilt eine Krankenversicherungspflicht ohne Beteiligung der Auftraggeber. Für mache ist zusätzlich eine Unfallversicherung obligatorisch, in einigen Berufen zusätzlich die gesetzliche Rentenversicherung. – Wer die Kosten wegen fehlender Marktmacht nicht einpreisen kann, hat es nicht leicht mit den Pflicht-Sozialversicherungen.  Zum Beispiel Teamende und Lehrkräfte, die trotz magerer Vergütungen den vollen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Krankenversicherung allein bezahlen müssen. Zusammengerechnet zahlen "normale" Selbstständige, die Vorsorge betreiben fast 40 % ihres Gewinns für die Grundbeiträge zur sozialen Sicherung. – Siehe Tabellen unter Sozialversicherungsbeiträge und Rechengrößen.

Skandalös ist an den Versicherungspflichten übrigens nicht, dass der Sozialstaat damit dafür sorgt, dass bei Erwerbstätigen die Kosten der sozialen Sicherung einzupreisen sind. Skandalös sind so niedrige Honorare, dass die Gesellschaft oft über (ergänzende) Grundsicherung einspringen muss. Skandalös ist zudem, wie langsam das Sicherungssystem an eine digitalisierte Arbeitswelt angepasst und wie stark bei der sozialen Sicherung differenziert wird: Auftraggeber werden selbst bei wirtschaftlich vollständig abhängigen Selbstständigen nicht beteiligt und derzeit nur bestimmte Berufe zur Vorsorge verpflichtet. Darunter ausgerechnet jene, die sich das kaum leisten können. Hingegen müssen sich gleichzeitig viele sehr gut verdienende Berufsgruppen nicht an einem solidarischen Vorsorgesystem beteiligen.  Ebenso ungerecht ist es, dass weder Beamte noch Politiker noch berufsständisch Versicherte in ein allgemeines System einbezogen sind. Zwar zeichnet sich ein (sehr langsamer, sehr lückenhafter und ungerechter) Einstieg in eine Altersvorsorgepflicht aller Selbstständiger ab: Sie wird wohl nur für Gründende gelten und es sind keine echten sozialen Umverteilungselemente vorgesehen. Da wäre etwa denkbar und leicht umzusetzen, dass sich mindestens die Auftraggeber von arbeitnehmerähnlichen oder wirtschaftlich abhängigen Selbstständigen direkt oder mittelbar an der Finanzierung ihrer sozialen Sicherung zu beteiligen.

Bis sich in Sachen einheitliche Versicherungsbedingungen für alle Erwerbstätigen etwas tut, gelten in der Sozialversicherung im Wesentlichen unterschiedliche für drei unterschiedliche hauptberufliche Erwerbsstatus unterschiedliche Versicherungsbedingungen. Und zwar für

  • abhängig Beschäftigte, 
  • Künstlerinnen und Publizisten sowie
  • alle anderen Selbstständigen.

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