Wie finde ich meinen Preis?

Selten sind Selbstständige so allein, wie in dem Moment, in dem sie einen Preis kalkulieren müssen. Insbesondere bei Aufträgen, deren Arbeitsaufwand sie noch nicht konkret einschätzen können. Die aber sind für Selbstständige, die keine Standardprodukte anbieten und die ohne Honorarordnungen tätig sind, die Regel. Kalkulationen zu erstellen, ist aber nicht nur lästig, sondern auch nützlich. Zumindest bei größeren Aufträgen ist es gut, dass Auftraggeber hier üblicherweise erst einmal ein Angebot haben wollen. – Wer die Anforderung ernst nimmt und vernünftige Untergrenzen beim eigenen Preis hat, kann sich selbst davor bewahren, demoralisierend niedrige Honorare zu akzeptieren. Ein paar Grundregeln können helfen, sich nicht unter Preis zu verkaufen.

Die erste heißt: Zeit zum Nachdenken nehmen. Antworte niemals spontan auf die Frage, was eine Leistung oder ein Werk "so ungefähr" kosten würde. Spontan genannte Preise sind fast immer zu niedrig. Und zwar viel zu niedrig. Seriöse Kunden verstehen, dass Selbstständige ein bisschen Zeit brauchen, um in Ruhe zu kalkulieren. Und es braucht wirklich ein paar Stunden oder Tage, sich dem angemessenen Preis auf mehreren Wegen zu nähern und viele Fragen zu stellen wie:

  • In welcher Spanne bewegen sich die marktüblichen Honorare für einen solchen Auftrag?
  • Kenne ich Preise von Kolleginnen für ähnliche Aufträge?
  • Sind Honorarangaben für die Aufgabe oder zum Auftraggeber in der ver.di-Honorarumfrage) verfügbar?
  • Wie hoch schätze ich den Zeitaufwand? Welche Sachkosten entstehen? Welchen Stundensatz will ich erzielen?
  • Was habe ich selbst bisher für ähnliche Aufträge berechnet? War das im Nachhinein genug?
  • Wie zahlungskräftig ist der Auftraggeber?
  • Will ich ein günstiges "Einführungsangebot" machen?
  • Sind Folgeaufträge vereinbart oder zu erwarten, die einen Teil des Grundaufwandes mitfinanzieren können?
  • Kann ich Auftragsteile wie Programm-Module oder Vortragspassagen auch für andere Kunden nutzen?

Die zweite Grundregel heißt: Jeder Auftrag dauert länger als kalkuliert. Es ist also vernünftig, auf den "ermittelten" Wunschpreis noch mal etwas draufzuschlagen. Dass Aufträge, die keine Routinejobs sind, doppelt so viel Zeit brauchen wie geplant, ist eher die Regel. Und insbesondere (unbezahlte) Vor- und Nachbereitungszeiten werden notorisch unterschätzt.

Und wer fürchtet, der Kunde könnte vor Schreck gleich ganz abspringen, sollte die dritte Regel beachten: Über Angebote kann man reden. Dazu sind sie schließlich da. Natürlich schrecken manche Privatkunden sofort zurück, wenn sie hören, was professionelle Arbeit kostet, aber seriöse Geschäftskunden brechen selten einen Kontakt allein deshalb ab, weil ein Angebot zu hoch war. Wer die mit Kunden fällige Verhandlung quasi vorher mit sich selbst führt und anschließend die eigene unterste Honorargrenze als erstes Angebot nennt, verschenkt Geld.

Für Verhandlung über die Vergütung sind drei Zahlen wichtig und für jeden Auftrag vorher festzulegen: der Preis, mit dem ich in die Verhandlung gehe, der Preis, den ich durchsetzen will, und die Untergrenze, bei ich auf jeden Fall (und tatsächlich) Nein sage. Wer mit nichts weiter in die Verhandlung geht als: "Mal sehen, was sie bieten", kommt immer mit zu wenig heraus.

Und schließlich sollte man, um mit der Zeit ein immer besseres Gefühl für den richtigen und den durchsetzbaren Preis zu bekommen, jedes Angebot doppelt kontrollieren:

  • Zum einen im Vertragsgespräch: Wie reagiert der Kunde? Wenn er zu meinem Preis einfach "in Ordnung" sagt, dann gab es noch Spielraum nach oben.
  • Zum zweiten während des Auftrages: Es hat sich bewährt, auch bei Festpreis-Aufträgen immer die Arbeitsstunden aufzuschreiben – nur für dich selbst, um am Ende zu überprüfen, ob die eigenen Annahmen zum Job realistisch waren. Das bringt präzise Vergleichswerte für spätere Aufträge.

Um ein Grundgefühl zu bekommen, was die eigene Arbeit pro Stunde einbringen sollte, gibt es verschiedene Online-Rechner. Sie machen vor allem immer wieder bewusst, dass und warum Selbstständige anders kalkulieren müssen, als Angestellte, die ihre Arbeitskraft kontinuierlich zu einem festen Preis verkaufen (und den auch bei Urlaub und Krankheit bekommen). Die Rechentools machen auch klar, dass es nicht nachhaltig ist, Preise von Auftrag zu Auftrag nach Gefühl auszuhandeln, sondern dass eine langfristige Arbeits- und Lebensplanung feste Leitgrößen beim Honorar braucht. – Beispielsweise nennen wir einmal den BDG-Stundensatzkalkulator. Das Tool ist einfach zu bedienen und (obwohl eigentlich für die Bereiche Grafik und Design geschrieben) enthält Grundfragen und -rechnungen, die in vielen Berufen eine Rolle spielen.


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