Schutz vor Veränderungen

In der Praxis ist es meist gar keine Böswilligkeit, sondern Zeitdruck: Der Artikel der freien Autorin ist zu lang, der Redakteur fängt an zu kürzen, findet hier einen Satz, der ihm nicht gefällt und den er deshalb ändert, dann fällt ihm noch eine interessante Information ein, die den Artikel besser macht, wie er meint, und die er deshalb einfügt – und am Ende erkennt die Autorin ihren Artikel nicht wieder. Gefragt worden ist sie natürlich nicht.

Das muss sich niemand gefallen lassen. Der im Urheberrecht festgeschriebene Schutz vor Entstellungen und Umgestaltungen verbietet auch ein solches "Umschreiben" von Artikeln – sofern es über die redaktionsübliche Bearbeitung hinausgeht: Einen Artikel "auf Zeile bringen" oder einen Vorspann hinzuzufügen, wenn die Autorin ihn vergessen hat, das ist ohne ihre Zustimmung erlaubt. Aber wer einen Artikel ganz umschreiben oder gar einzelne Aussagen verändern will, braucht dazu die Zustimmung der Autorin.

So steht es jedenfalls im Gesetz, das freilich in vielen Redaktionen gewohnheitsmäßig gebrochen wird. Die Gerichte aber sehen das nicht als Kavaliersdelikt an: Schon 1998 wurde der Kölner Stadt-Anzeiger rechtskräftig zu 10.000 Mark Schmerzensgeld verurteilt, weil er in einem kritischen Artikel zweier freier Autoren über Abwasserprobleme ohne Abstimmung 82 Änderungen vorgenommen hatte, die nach Auffassung des Gerichts den Inhalt verharmlost und wissenschaftliche Aussagen entstellt, ja ins Gegenteil verkehrt hatten. Für das hohe Schmerzensgeld war laut Urteilstext übrigens auch die "überhebliche und selbstgefällige Haltung" des Stadt-Anzeigers ausschlaggebend, der nicht einmal ansatzweise Unrechtsbewusstsein gezeigt habe (Amtsgericht Köln 131 C 4/98).

In einem anderen, ebenfalls schon älteren Verfahren bekam eine Künstlerin, deren Werk in einem Katalog bewusst in falschen Farben gedruckt worden war, 4.500 Mark zugesprochen.

Zu diesem Thema gehört auch, dass Gebäude nicht einfach ohne Zustimmung des Architekten umgebaut und Kunstwerke vom Eigentümer nicht einfach vernichtet werden dürfen.

Auch die Weiterentwicklung von Computerprogrammen und Websites steht unter diesem Vorbehalt. Wenn sich ein Unternehmen von einer teuren Designerin eine wunderbare Website entwerfen lässt, so kann es anschließend nicht einfach – um Kosten zu sparen – einen Studenten engagieren, der die Website für billiges Geld jahrelang "pflegt" und weiterentwickelt. Sofern im Vertrag nichts Anderes vereinbart wurde, darf der Student (bzw. das Unternehmen selbst) zwar einfache Änderungen vornehmen, etwa Preisangaben aktualisieren. Sobald aber Inhalte verändert oder neue Seiten hinzugefügt werden, ist dies ein Eingriff in das geschützte Werk, der ohne Zustimmung der Originaldesignerin nicht erlaubt ist.

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